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Völkerrecht Republik China

Geschichte, Politik, Recht

Thomas Weyrauch: Völkerrechtliche Betrachtungen zur Existenz der Republik China. Analysen, Bewertungen und Empfehlungen
93 Seiten
Longtai Verlag 2011
ISBN:
978-3-938946-19-0



Prof. Dr. phil. Dr. iur. Georg Jellinek (1851 – 1911), deutsch-österreichischer Jurist, gehört noch heute zu den bedeutendsten Rechtsphilosophen und Staatsrechtlern. Wegen seiner jüdisch-intellektuellen Herkunft wurde er zu Lebzeiten oft benachteiligt, doch musste er nicht das Schicksal seiner Kinder teilen, welche wenige Jahrzehnte später von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet wurden.

Die Republik China entstand 1911, einige Monate nach Jellineks Tod. Seit 1950 ist das Territorium der Republik China im Wesentlichen auf Taiwan beschränkt. Da die Republik China in der heutigen Zeit vom Ausland dadurch wenig Achtung entgegen gebracht wird, dass man sie als De-facto-Regime behandelt, sind Jellineks Staatskriterien für die völkerrechtliche Bewertung dieser wirtschaftlich erfolgreichen und demokratischen Gebietskörperschaft von größter Relevanz.
Auf beiden Seiten der Taiwan-Straße wird das 100. Jahr nach der zukunftsweisenden Revolution von 1911 gefeiert, in deren Folge die Herrschaft der mandschurischen Kaiser beendet und die Republik China gegründet wurde. Die Aussagen zu den Feierlichkeiten sind jedoch recht unterschiedlich. Die Kommunistische Partei Chinas, welche erst zehn Jahre nach diesem Ereignis auf Veranlassung der Sowjetunion gegründet wurde, stellt sich propagandistisch als Bannerträger in diese Tradition. Dabei behauptet sie seit ihrer Gründung im Jahr 1949, die Republik China sei untergegangen. Dass eine politische Entität unter diesem Namen auf Taiwan und weiteren Inseln existiert, interessiert die KP-Führung der Volksrepublik nicht. Vielmehr macht sie einen Anspruch auf die Insel als „ihre Provinz“ geltend, obwohl sie dort niemals Herrschaft ausübte.
In Taiwan selbst wird die Existenz der Republik China von bestimmten politischen Kreisen gleichfalls negiert. Die Argumente hierfür klingen aber für weite Kreise der Bevölkerung wesentlich intelligenter und überzeugender. Kurz umrissen soll danach die Republik auf dem Festland verschwunden sein, ohne Taiwan völkerrechtswirksam erworben zu haben. Klammert man die weit hergeholte Behauptung aus, Taiwan befände sich in der Souveränität der USA oder Japans, so verbleiben interessante Fragen nach dem Fortbestand der Republik China, einem ungeklärten Status Taiwans und dem Selbstbestimmungsrecht der Taiwaner. Bedauerlicherweise wird diese Diskussion mit Mitteln der Polemik, der Rabulistik und der Unterschlagung von Fakten geführt.

Dabei ist die Rechtslage nicht schwer zu verstehen. Nach einem verlorenen Krieg musste das chinesische Kaiserreich 1895 die Provinz Taiwan an Japan abtreten. Weinende Studenten aus Taiwan demonstrierten in Peking gegen diese Zession. Wenige Wochen hielt eine „Republik Taiwan“, die sich in Opposition zu Japan und aus Loyalität zum chinesischen Kaiserhaus gebildet hatte. Nach der Revolution Sun Yatsens fühlten sich die Taiwaner noch immer mit dem Festland verbunden. Die Mehrheit von ihnen ließ sich in Wahllisten der Republik China als Überseechinesen registrieren.

Nach 50jähriger Kolonialherrschaft wurde Taiwan von Japan 1945 durch einen Kapitulationsvertrag an China zurückgegeben. Vorausgegangen waren Deklarationen, welche die Forderung nach einer Rückgabe Taiwans und weiterer Inseln bekräftigten. Mit der Retrozession übte die Republik von 1945 an mit Zustimmung aller anderen Staaten ihre Herrschaft aus. Unumstritten ist auch, dass die Bevölkerung Taiwans dies in der Anfangszeit mehrheitlich begrüßte. Mit den Unruhen des 28. Februar 1947 änderte sich diese positive Stimmung bei vielen Taiwanern.

Mit der kommunistischen Revolution verlor die Republik China auf dem Festland ihre Macht. Allerdings büßte sie nicht ihr gesamtes Altterritorium ein, sondern behielt die Archipele Dachen, Mazu und Jinmen. Dass die Republik China zudem in der Phase der Rebellion auf dem Festland fortbestand, entsprach nicht nur den Völkerrechtstheorien, sondern auch der Resolution 505 der UN-Generalversammlung vom 01.02.1952. Die Republik China war somit nicht untergegangen, und ihre völkerrechtliche Vertretung stellte keine Exilregierung dar.

Auf Basis dieser Fakten konnte die Republik China den Vertrag von Taibei vom 28. April 1952 mit Japan abschließen, das gerade an diesem Tag entsprechend dem Friedensvertrag von San Francisco seine Souveränität wiedererlangte und die Abgabe Taiwans und Penghu vollzog. Während der Vertrag von San Francisco den Empfänger offenließ, benennt der Vertrag von Taibei eindeutig die Republik China. Damit war der Erwerb Taiwans und Penghus in die Souveränität der Republik China vollzogen.
Dass dies die Mehrheit der Staatengemeinschaft zu dieser Zeit genauso sah und später die Volksrepublik anerkannte, ist von sekundärer Bedeutung, weil es hierbei nicht um die Frage der Souveränität, sondern um die Anerkennung eines Alleinvertretungsanspruchs ging.

Mit der Demokratisierung der Republik China vor einem Vierteljahrhundert ist zudem die Frage der Selbstbestimmung der Bürger beantwortet.

Beijing übte niemals Herrschaft über Taiwan, Penghu, Jinmen und Mazu aus. Damit hat sie kein Recht daran erworben, solange es die Republik China gibt. Weder zu Zeiten der kommunistischen Revolution 1949 noch der Welle von Anerkennung Beijings durch wichtige Staaten ist die Republik China untergegangen. Sie existiert somit ununterbrochen trotz eines Territorienwechsels weiter. Ohne Zweifel wurde sie damit 100 Jahre alt.

Die Existenz der Republik China als Vorbild einer genuinen chinesischen Demokratie ist gleichfalls für das chinesische Festland von Bedeutung, das noch immer von einer Diktatur der Kommunistischen Partei beherrscht wird. Angesichts der wachsenden Bedeutung eines ‚Greater China’ bleibt die Republik China auf Taiwan der Motor der chinesischen Modernisierung und sollte deshalb die Unterstützung und Gerechtigkeit der Staatengemeinschaft genießen. Diese Erkenntnis schließt auch die Hoffnung auf eine entsprechende außenpolitische Orientierung Deutschlands ein. Eine derartige Erneuerung des ostasiatischen Raumes dürfte allen Beteiligten von Nutzen sein.